Mit dem Rollstuhl im Klassenzimmer Inklusion: In vielen Aschaffenburger Schulen werden behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam unterrichtet
Aschaffenburg An vielen Aschaffenburger Regelschulen werden Kinder mit Behinderungen und sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet. Bislang haben diese Schulen kein Geld für den pädagogischen Mehraufwand oder andere Investitionen gefordert, erläuterte der Leiter des Schulverwaltungsamts, Jürgen Kuhn, im Kultur- und Schulsenat. Hintergrundinfos
Der gemeinsame Schulbesuch von behinderten und nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen ist bereits Alltag in Bayern. Die Verwaltung hat im Kultur- und Schulsenat jetzt die Zahlen zur Inklusion an Aschaffenburger Schulen veröffentlicht. Foto: dpa Die Bestandsaufnahme des gemeinsamen Unterrichts von behinderten und nichtbehinderten Schülern hatte die SPD-Stadtratsfraktion beantragt.
In Regelklassen aufgenommen Laut Amtsleiter Kuhn werden derzeit an 9 der 13 Grundschulen im Stadtgebiet rund 60 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet. An drei dieser Schulen gebe es so genannte Kooperationsklassen (siehe Hintergrund). An den übrigen sechs Grundschulen werden einzelne Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die Regelklassen aufgenommen, meist unterstützt von sozialpädagogischen Diensten. Eine der Grundschulen wolle ab dem kommenden Schuljahr das Profil »Inklusion« beantragen, berichtete Kuhn. Etwa 80 behinderte Schüler besuchen derzeit fünf der sechs städtischen Mittelschulen. In vier der Schulen drücken sie mit den nichtbehinderten Kindern der Regelklassen die Schulbank. Eine Mittelschule führe von der 5. bis 8. Klasse Kooperationsklassen. An den beiden Realschulen werden zwei behinderte Schüler in Regelklassen unterrichtet, an zwei der drei staatlichen Gymnasien in Aschaffenburg nehmen zehn behinderte Schüler am Unterricht teil, an den beiden staatlichen Berufsschulen sind es vier Jugendliche. An einer der Förderschulen gebe es eine Partnerklasse, eine andere Förderschule arbeitet mit Grund- und Mittelschulen im Rahmen von Kooperationsklassen zusammen. In Aschaffenburg streben laut Kuhn weder Mittel-, Real- und Berufsschulen noch die Gymnasien das Profil »Inklusion« an«.
»Nicht alles ist möglich« »Wir müssen unsere Schulen so organisieren, dass alle Kinder optimal schulisch betreut werden«, betonte Oberbürgermeister Klaus Herzog (SPD). Dabei gebe es auch Grenzen: »Wir können nicht alle Schulen so ausstatten, dass überall alles möglich ist.« Herzog sprach sich für eine Kooperation mit den Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg aus. Das Thema Inklusion sei noch längst nicht abgeschlossen. »Da ist noch vieles im Fluss.« Auch wenn die Aschaffenburger Schulen auf die Befragung der Stadt bislang keine zusätzlichen Investitionen für die Inklusion geltend gemacht haben, erwartet SPD-Sprecher Walter Roth »enorme Kosten«, die künftig auf die Schulen zukommen werden. Ähnliches vermuten seine Fraktionskollegin Astrid Neuy-Bartmann und CSU-Sprecher Bernd Pattloch: Sonderpädagogische Betreuung koste ebenso Geld wie bauliche Veränderungen. Grünen-Stadtrat Stefan Link riet, die Inklusion nicht als Belastung, sondern als Chance zu betrachten, von der alle Schüler profitierten. Vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen.
»Der Gesetzgeber soll zahlen« Bei den Kosten will sich sich die Stadt auf das sogenannte Konnexitätsprinzip berufen, erläutert Bürgermeister Werner Elsässer. Das bedeutet: Mehrkosten, die der Stadt durch das Inklusions-Gesetz entstehen, müsste der Gesetzgeber zahlen. Das gelte vor allem bei den Schulen, die ein Inklusionsprofil anstreben. »Da wird noch viel Bewegung reinkommen.« Die Stadt will auf Anregung des Stadtrats Roth für eine der kommenden Sitzungen einen Experten zum Thema Inklusion an Schulen einladen. Alexander Bruchlos
Hintergrund: Inklusion an bayerischen Schulen Mit der Unterzeichnung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen im Juli 2009 hat sich Deutschland verpflichtet, ein inklusives Schulsystem zu verwirklichen. Behinderte und lernschwache Kinder sollen nicht länger auf »Sonderschulen« verbannt werden. Doch es wird teuer, alle Schüler gemeinsam zu unterrichten: Eine Studie bezifferte unlängst die Kosten für Deutschland auf 660 Millionen Euro im Jahr - nur für zusätzliche Lehrer. Im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz wurde festgelegt, dass Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allen Schularten unterrichtet werden können. Dabei werden die Schulen vom Personal der Förderschulen unterstützt. Kooperatives Lernen ist möglich in: • Kooperationsklassen: An Grund-, Mittel- und Berufsschulen werden Behinderte und Nichtbehinderte gemeinsam mit Unterstützung durch mobile sozialpädagogische Diente unterrichtet. •Partnerklassen: Klassen einer Regel- und einer Förder-Schule werden räumlich an der jeweils anderen Schulart geführt. Schüler beider Schularten werden in verschiedenen Fächern gemeinsam unterrichtet. • Offenen Klassen an Förderschulen: Klassen an Förderschulen, in denen nach dem Lehrplan allgemeiner Schulen unterrichtet wird, werden auch von nichtbehinderten Schülern besucht. Wenn Schulen sich zum Schulprofil »Inklusion« weiterentwickeln wollen, müssen dem Schulamt und Stadt zustimmen. Diese Schulen zeichnen sich dadurch aus, dass der Unterricht stark auf die behinderten Kindern ausgerichtet ist. Personell werden Schulen mit Inklusionsprofil zusätzlich mit einer Lehrkraft für Förderschulen ausgestattet. In Bayern gibt es 86 Schulen mit diesem Profil, in Unterfranken 12, darunter die Grundschulen Faulbach und Mönchberg. (Alexander Bruchlos)