Sibylle Brandt, Landesvorsitzende AG Selbst Aktiv und Günther Pichler, Regionalbereichsleiter DB Netze in Osterhofen
„Osterhofener Zeitung / PNP vom 22. 08. 2015“ Impulse für behindertengerechten Bahnhof Vertreter von Stadt, Bahn und „Selbst Aktiv“ diskutierten rege – Sanitärcontainer von Osterhofener Firma vorgestellt
Osterhofen. Der Bahnhof soll behindertengerecht werden: Während in Osterhofen vor allem der zweite Bahnsteig auch für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte zugänglich werden soll, gilt es andernorts den Sanitärbereich entsprechend zu gestalten. Über mögliche Lösungen für beide Themen diskutierten gestern Behindertenbeauftragter Dr. Günter Müller, Günter Pichler, Regionalbereichsleiter DB Netze, und Bernhard Kellner, Leiter Bahnhofsmanagement in Ostbayern, vor Ort mit Vertretern der Arbeitsgemeinschaft „Selbst Aktiv“ – Behinderte Menschen in der Bayern SPD. Dazu waren Landesvorsitzende Sibylle Brandt, Bezirksvorsitzender Hugo Steiner sowie Marion Winter nach Osterhofen gereist. Sie hatten die Bahn auf die behindertengerechten Sanitärcontainer aufmerksam gemacht, die von der Langenamminger Firma Feilmeier produziert werden. Diese können an Bahnhöfen oder bei Veranstaltungen in Städten aufgestellt werden.
Ein erstes Exemplar steht derzeit einige Tage lang am Osterhofener Bahnhof. Über eine Rampe gelangt man in den Container, der innen geräumig wirkt. Und dessen Toilette von beiden Seiten zugänglich ist – im Gegensatz zur behindertengerechten Toilette am Bahnhofs-Bistro. Doch manche Rollstuhlfahrer können sich nur mit einer bestimmten Hand hochziehen, weiß Eva Feilmeier, deshalb sei die beidseitige Zugänglichkeit wichtig. Gemeinsam mit Juergen Wacker als Berater stellte sie das neue Produkt vor.
Während die Belange der Rollstuhlfahrer bei der Ausstattung der Container stark berücksichtigt wurden, kann „Selbst Aktiv“-Landesvorsitzende Sibylle Brandt, selbst sehbehindert, noch einige Anregungen für Menschen mit anderen Behinderungen geben – von Schaltknöpfen bis zu höhenverstellbaren Waschbecken oder akustischen und optischen Besetzt-Zeichen. Auch sollte der Container nicht nur über den Euroschlüssel, sondern auch mittels Chip am Behindertenausweis und Kartenleser an der Tür zugänglich sein.
Neben der Vorstellung der Sanitärcontainer könnte die rege Diskussion mit Betroffenen zudem ein weiterer, kleiner Schritt auf dem Weg zur Lösung für einen behindertengerechten Ausbau des Osterhofener Bahnhofs werden. Dass dieser umgestaltet werden muss, darüber waren sich alle einig. Denn Rollstuhlfahrer oder Gehbehinderte können zwar in Fahrtrichtung Passau ebenerdig einsteigen, am Rückweg aber nicht aussteigen, weil es keinen Aufzug ins Untergeschoss gibt, um vom hinteren Bahnsteig zur Straße zu gelangen. „Ein Schildbürgerstreich“, sagt Dr. Müller, zumal die Stadt erst vor kurzem das Grundstück neben dem Bahnhofs-Bistro erworben hat, um dort künftig die Parkplätze neu – und auch für Behinderte – auszuweisen. Sinnvoll werde diese Investition nur, wenn auch der Bahnhof selbst für behinderte Menschen zugänglich werde.
Von 1017 Bahnhöfen in Bayern sind nur 386 barrierefrei, gibt Regionalbereichsleiter Günther Pichler zu. Allerdings werde ab 2018 im Teilstück Regensburg – Passau alles barrierfrei sein, mit Ausnahme von Osterhofen. Pichler sieht deshalb den Freistaat Bayern in der Pflicht, den Bahnhof an der Ladehofstraße in sein Förderprogramm aufzunehmen, unabhängig von den Zustiegszahlen.
Denn die geforderten 1001 Aussteiger am Tag werden in Osterhofen nicht erreicht, das weiß auch Behindertenbeauftragter Dr. Müller. Die reine Zahl spiegle aber ohnehin nicht die Realität wider. In Deggendorf seien es leicht 1000 Fahrgäste wegen des Schulzentrums, am Bahnhof steigen aber überwiegend junge, körperlich fitte Menschen zu.
In Osterhofen hingegen könnten wegen der Seniorenheime und der Fachklinik zahlreiche behinderte Menschen den Bahnhof nutzen – nur bislang eben nicht, weil der Bahnsteig nicht behindertengerecht ist. Und damit, so Müller, könnten derzeit die geforderten Zahlen nicht erreicht werden.
Zu bedenken sei auch, dass Verbesserungen nicht nur den behinderten Menschen selbst, sondern auch ihrem sozialen Umfeld zugute kommen, ergänzte Sibylle Brandt: Bei 24 Millionen Behinderten sind dies rund 60 Millionen Bürger, mehr als zwei Drittel der Bevölkerung. Zudem nutzt man einen Aufzug auch gerne, wenn man mit einem schweren Koffer oder einem Kinderwagen unterwegs ist.
Brandt schilderte zudem, wie Züge einfach und leicht finanzierbar für Behinderte zugänglich gemacht werden können: Der erste Waggon nach der Lok sollte behindertengerecht gestaltet sein, wo er hält, könne eine mobile Rampe beim Einsteigen helfen, erläuterte die Landesvorsitzende von „Selbst Aktiv“. Ein Lichtsignal führt Hörgeschädigte zur richtigen Stelle, ein Akustiksignal hilft Sehbehinderten. Dann, so Marion Winter, könnten mehr behinderte Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, ein weiterer Schritt zur Inklusion in der Arbeitswelt. Günther Pichler nahm die Anregung für künftige Zugbestellungen gerne auf, auch wenn diese Tipps für Osterhofens Bahnhof leider keine Hilfe sind. - gs