Blindenhunde kennt jeder. Assistenzhunde dagegen sind weniger bekannt. Dabei können auch sie den Alltag von Menschen mit Behinderung erheblich erleichtern. Sie helfen beim Anziehen, Türen öffnen, Handy holen oder dabei, Wäsche aus der Maschine zu räumen. Selbst Essen aus dem Kühlschrank können die Vierbeiner holen. Speziell ausgebildete Epilepsiehunde (siehe Infokasten) zum Beispiel können sogar die Botenstoffe der Krankheit vor einem Anfall erschnüffeln. Wenn das Herrchen dennoch Hilfe benötigt, sind sie trainiert, Alarm auszulösen. Den Rettungssanitätern gewähren die Tiere nur Einlass, wenn die das richtige Codewort kennen. Das Problem: Die Kosten für solche Hunde werden im Gegensatz zu Blindenhunden fast nie von der Krankenversicherung oder Sozialversicherungsträgern übernommen. Das will die Landtags-SPD ändern.
Hund Shacky hat Hedi Menge von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL), die sich für die gesellschaftliche Teilhabe behinderter Menschen einsetzt, schon dreimal das Leben gerettet. Sie erhielt vor gut zehn Jahren den ersten geförderten Behindertenbegleithund Deutschlands. Doch inzwischen ist nicht nur Menge, sondern auch der 14-jährige Shacky in Rente. „Da ich nicht mehr berufstätig bin, ist jetzt die Krankenkasse mein Ansprechpartner – und die sperrt sich vehement“, erklärt sie bei der Pressekonferenz der SPD im Landtag. Ein einfach ausgebildeter Assistenzhund kostet zwischen 17 000 und 21 500 Euro, ein Profiassistenzhund nochmal 5000 bis 7000 Euro mehr. Doch ohne einen Nachfolger für Shacky müsste sie in eine Pflegestelle – die wäre noch teurer.
Ein Assistenzhund kostet in zehn Jahren 75 000 Euro, sagt Sibylle Brandt, Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft „Selbst Aktiv“. „Wenn Menschen eingestellt würden, müssten allerdings im selben Zeitraum 750 000 Euro veranschlagt werden.“ Sie fordert daher, Blindenhunde Assistenzhunden gleichzustellen. Dazu sollen sie ins Hilfsmittelverzeichnis des Sozialgesetzbuchs V aufgenommen werden. Außerdem müsse es dringend eine bundeseinheitliche Definition für die verschiedenen Assistenzhunde geben. Gleiches gelte für die Ausbildung: Aktuell genügt ein Gewerbeschein, um Hunde auszubilden. „Viele Hunde kommen aus Massenhaltung und haben eine schlechte Ausbildung“, weiß Brandt und berichtet von Strom, Stockschlägen und Gewalt. Viele Betroffene versuchten wegen der hohen Kosten, ihren Hund sogar selbst auszubilden. „Es wird überhaupt nicht überprüft, ob Mensch oder Hund spezialisiert sind“, klagt die SPD-Abgeordnete Ruth Waldmann. Sie fordert, beispielsweise durch eine staatlich anerkannte Assistenzhundeausbildung, das Missbrauchspotenzial zu minimieren. Ihre Fraktion hat einen Antrag in den Landtag eingebracht, um die Ausbildung und Finanzierung von Assistenzhunden zu regeln. Für Berufsausbildungen ist zwar der Bund zuständig, die Staatsregierung soll aber im Bundesrat Druck machen. Auf Landesebene fordert die SPD, Assistenzhunden den Zugang zu öffentlichen Gebäuden wie Krankenhäuser, Arztpraxen, Behörden oder Theatern zu erlauben. Meistens würden sie zwar geduldet. „Aber am Ende hängt es vom Hausherrn ab, ob er das zulässt.“
„Ich habe schon erlebt, dass mich ein Arzt auf die Straße geschickt hat, um mich dort zu behandeln“, berichtet Brandt. Auch in Supermärkten, Restaurants und Geschäften mokierten sich Menschen über die Assistenzhunde. Dabei seien sie für Behinderte lebenswichtig. Brandt forderte daher, Assistenzhunde auch hier Blindenhunden gleichzustellen. „Nur so können wir Teil dieser Gesellschaft sein.“ (David Lohmann)
INFO: Arten von Assistenzhunden Blindenführhunde: Sie leiten blinde Menschen oder Menschen mit Sehbehinderung durch den Verkehr und zeigen Orientierungspunkte wie Treppen, Lifte, Ampeln oder Zebrastreifen an.
Signalhunde: Sie unterstützen gehörlose oder hörbehinderte Menschen per Schnauzendruck beim Anzeigen verschiedener wichtiger Geräusche wie Wecker, Türglocke, Telefon, Hupen oder Feueralarm.
Medizinische Signalhunde: Sie erschnüffeln Unter- oder Überzuckerung und helfen dadurch Menschen mit Diabetes. Auch Epileptiker werden von ihnen gewarnt, wenn ein entsprechender Anfall droht. Teils sind die Hunde auch speziell darauf trainiert, Epileptikern während eines Anfalls zu helfen. An der Berliner Charité werden bereits Anti-Krebs-Hunde eingesetzt.
Servicehunde: Sie helfen Menschen mit Arthritis, Gleichgewichtsstörungen oder angeborenen Bewegungsstörungen bei motorischen Aufgaben. Beispielsweise können sie heruntergefallene Gegenstände aufheben, Türen öffnen oder den Lichtschalter betätigen.
Behindertenbegleithunde: Sie sind eine Mischung aus Blinden- und Signalhund. Wenn ein behindertes Kind beispielsweise eine Regelschule besucht, bringt er das Kind sicher zur Schule, hilft beim Ausziehen oder bei Freizeitaktivitäten.
Therapiehunde: Speziell auf die Bedürfnisse trainierte Hunde gibt es zum Beispiel auch für Menschen mit ADHS, Autismus, Depressionen, Essstörungen, Borderline, Trisomie 21, Demenz oder posttraumatischer Belastungsstörung. (loh)