Für die 57-jährige Sibylle Brandt sind Gleichstellung, Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von allen Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen und deren Wertschätzung ein wichtiges Anliegen. Welchen Einfluss eine zufällige Begegnung mit ihrem Namensvetter Willy Brandt auf sie hatte und welche Fragen der Inklusionsbotschafterin auf der Seele brennen, erzählt sie auf REHACARE.de.
Wann haben Sie das letzte Mal herzhaft gelacht und worüber?
Sibylle Brandt: Gerade eben über meine ebenfalls behinderten Katzen. Sie haben gemeinsam ein gebratenes Schnitzel stibitzt und über den Flur weggetragen. Allerdings hat dieser Diebstahl eine Dritte glücklich gemacht; meine Blindenführhündin "Sony" hat den beiden Dieben die Beute abgeluchst und selbst verspeist.
Was wollten Sie schon immer einmal machen und warum haben Sie sich bisher nicht getraut?
Sibylle Brandt: Es gibt viele Dinge, die ich mal machen wollte: Eines davon ist als Blinde durch einen Kletterwald turnen. Leider habe ich bisher noch keine Zeit dazu gehabt und auch noch keinen Partner gefunden, der mich begleitet und anleitet.
Welcher Mensch hat Sie bisher am meisten beeinflusst? Und warum?
Sibylle Brandt: Nomen est Omen. Ich hatte das Glück, vor vielen Jahren – ich war acht oder neun Jahre alt – bei einem Spaziergang mit meinen Eltern Willy Brandt zu begegnen. Er hat dem kleinen Mädchen einen Satz auf den Weg gegeben, dem ich bis heute folge: "Das wichtigste im Leben ist, seinem Herzen zu folgen und gerecht und ehrlich zu anderen Menschen zu sein." Ich habe das nie vergessen und versuche so zu handeln.
Sie haben die Chance Bundesbehindertenbeauftragte zu werden. Was wäre Ihre erste Amtshandlung?
Sibylle Brandt: Ich würde mit aller Kraft versuchen, den Zusammenhalt zwischen den Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen aufzubauen und zu stärken, denn so lange wir untereinander nicht eins sind, werden wir auch nicht ernst genommen. Nur gemeinsam wären wir eine Macht im Staat, an der niemand mehr vorbei käme.
Ihr Leben wird verfilmt: Wer würde Sie verkörpern und warum gerade diese Person?
Sibylle Brandt: Das ist eine schwierige Frage, auf die ich eigentlich keine Antwort habe. Ich habe zwar eine Lieblingsschauspielerin, ansonsten aber kenne ich mich in diesem Genre wenig aus. Und Sandra Bullock diese Rolle anzubieten, erscheint mir etwas größenwahnsinnig.
Ich wäre gern einmal...
Sibylle Brandt: ...in einer Regierung parteiübergreifend verantwortlich für die Behindertenpolitik.
Auf welche Fragen wünschen Sie sich eine Antwort?
Sibylle Brandt: 1. Wann werden die Menschen begreifen, dass die Artikel eins und drei des Grundgesetzes auch für Menschen mit Behinderungen gelten und dass die Wertschätzung jeder einzelnen Person Grundlage einer Gesellschaft ist?
Warum fällt es den Menschen und insbesondere den Menschen mit einem Mandat so schwer zu akzeptieren, dass 29 Millionen Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland keine Randgruppe der Gesellschaft sind?
Warum kann unsere Gesellschaft nicht akzeptieren, dass Menschen mit Behinderung nicht nur ein Kostenfaktor sind, sondern unsere Gesellschaft bereichern?
Wann wird akzeptiert, dass Inklusion eine Chance für unsere Gesellschaft ist, besonders für die Wirtschaft? (neue Produkte, neue Berufsbilder und Assistenzmöglichkeiten)
Wann wird es endlich das erste deutsche Assistenzhundegesetz geben?
Das BTHG ist nur die Reformierung des SGBIX. Wann wird es für die fast 29 Mio. Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen, die nicht unter die Eingliederungshilfe fallen, fortgeschrieben? Wir brauchen eine zeitnahe Weiterführung zu den Themen Arbeit, Bildung, Gesundheit, Mobilität, digitales Leben, Kommunikation, Umwelt, Familie, und vielem mehr.
Wann wird es endlich einen bundeseinheitlichen "Behindertenwaggon" bei der Bahn geben. (Ich möchte damit niemanden ausgrenzen, wer diesen nicht nutzen möchte, muss es nicht, aber für alle anderen wäre dieser eine erhebliche Erleichterung)
Gute Bildung, Ausbildung und Fortbildung sind sehr teuer. Wann wird es ein Schul- und Ausbildungsbudget als Unterstützung für Menschen mit Behinderung geben?
Wann wird das Persönliche Budget allen Menschen mit Behinderung zustehen, damit wir alle am gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt teilhaben können?
Für mich sind auch Tier-, Natur-, Umwelt- und Klimaschutz sehr sehr wichtig und auch wir Menschen mit Behinderung sollten uns dafür vehement einsetzen. Warum gibt es hierfür keine adäquate Unterstützung aus Bund, Ländern und Kommunen?
Gleiches gilt für den Kampf gegen Rechtsradikalität und rechtes Gedankengut. Auch wir müssen endlich Flagge zeigen.
Was ich noch sagen wollte..
Sibylle Brandt: Für mich sind wie gesagt Tier-, Natur-, Umwelt- und Klimaschutz sehr wichtig. Wir haben in meiner Heimatgemeinde vor kurzem den ersten inklusiven Gnadenhof gegründet. Hier engagieren sich auch Menschen mit Behinderungen im Tierschutz und versuchen anderen Menschen mit Behinderungen oder Demenzkranken durch den Kontakt mit den auch kranken oder behinderten Tieren, ein wenig Lebensfreude zu geben. Ich engagiere mich gerne und ich werde auch weiterhin kämpfen.